Die "Siebenbürgische Theatertruhe" Nürnberg - Nadesch stellt sich vor!


Die Idee, das siebenbürgisch-sächsische Kulturgut hier in Deutschland nicht ganz in Vergessenheit geraten zu lassen, liegt schon etwas länger zurück. Doch wie das so nach der Übersiedlung war, war man mit der Integration in einer neuen Welt und mit der Existenzgründung sehr beschäftigt. Nachdem das so einigermaßen geschafft war, wurde der Wunsch in mir immer größer, das Kulturgut, die Sitten und Bräuche, aber auch die Trachten nicht einfach im Schrank verstauben zu lassen, sondern durch Aktivitäten unsere Kultur auch hier in Deutschland bekannt zu machen und somit dem Vergessen entgegenzuwirken. Ein Theaterkreis war das, was ich mir so vorstellen konnte. Doch Leute dafür zu gewinnen war schwerer, als ich mir es vorgestellt hatte.
Im April 1996 war es dann soweit. Eine Gruppe von ca. 14 Leuten war bereit mitzumachen. Das Theaterstück "Der Herr Lihrer kit" von Otto reich hatte ich bereits ausgesucht. Schnell wurde die Gruppe zu einer aktiven Gemeinschaft und es machte richtig Spaß sich am Wochenende für die Theaterproben zu treffen. Das Theater wurde ein voller Erfolg. Nach 7 Vorstellungen, unter anderem in Würzburg, Kitzingen, Zirndorf (Paul-Metz-Halle), bei jeweils ausverkauftem Saal, wurde der Wunsch laut ein anderes Theaterstück einzustudieren.
Im März 1998 startete die Gruppe mit einigen neuen Darstellern das Stück "Am zwin Krezer" von Anna Schuller-Schullerus. Im Januar 1999 spielten wir das Stück zum ersten Mal im Saal der Nikodemuskirche, Nürnberg - Röthenbach und am 14.10. und am 15.10.2000 spielen wir es, nach vier erfolgreichen Aufführungen (eine in der Paul-Metz-Halle vor 500 Zuschauern) im gleichen Saal.

 

 

Alida Henning


 

 

 

Geschichte des siebenbürgisch-sächsischen Volkstheaters

 

 

Das gesellige Leben der Siebenbürger Sachsen ist mit Ausnahme der für die "Freundschaft" vorbehaltenen Feste und Feierlichkeiten, wie z. B. Taufe und Hochzeit, an die Gemeinschaft gebunden. Nicht die einzelne Person, sondern die Gemeinschaft des Dorfes in ihren verschiedenen Verbänden nimmt an den geselligen Veranstaltungen und Festen im Kreislauf des Jahres teil. Die einfachsten Formen des geselligen Lebens spielen sich auf der Gasse ab: an Sonntagnachmittagen "im Gespräch", auf Bänken und Stühlen vor dem Haus. Hier werden die Neuigkeiten des Tages ausgetauscht und hier wird das Urteil über Menschen und Geschichte gefällt.
Auch an den Winterabenden am flackernden Herd in der "Spinnstube" oder beim Maisschälen am frostigen Herbstabend in Scheune und Vorhaus wurden der Tagesablauf oder die neuesten Erlebnisse besprochen. Die Großeltern erzählten schaurige Geschichten von Gespenstern und Räubern nicht nur als Zeitvertreib, sondern als regelnder Takt zur Arbeit oder Anreiz zum Wachbleiben. Zwischendurch wurden Lieder von Liebe und Scheiden oder von rührendem Wiedersehen gesungen.
Dieses Zusammenspiel von Arbeit und Vergnügen mit menschlichem Schicksal und außergewöhnlichen Ereignissen in der Gemeinde kommt im siebenbürgisch-sächsischen Volkstheater zum Ausdruck. Der Wunsch nach dem Erhalten wiederkehrenden Erlebnissen, von moralischen und geistigen Werten, sowie das Festhalten besonderer Ereignisse in der Gemeinschaft führte dazu, diese in Schauspielen darzustellen. Die Aufführung dieser Theaterstücke diente aber auch zur Unterhaltung der Leute und war meistens mit bestimmten Anlässen verbunden.

 

 

 

Entstehung des Nadescher Volkstheaters

 

 

Im Winter 1989, als in Rumänien nach dem Fall des Diktators Nicolae Ceausescu, die Grenzen geöffnet wurden, ging für viele Siebenbürger Sachsen ein Traum in Erfüllung.
Endlich waren sie frei, in das Land, das viele von ihnen als ihre eigentliche Heimat betrachteten, überzusiedeln. 1990 war dann auch das Jahr, in dem sich die meisten von ihnen in Deutschland wiederfanden. Als ein Volk, das sich schon immer der Gemeinschaft verbunden fühlte, war der Wunsch, diese aufrecht zu erhalten sehr groß. Obwohl sich viele Mitglieder der Nadescher Gemeinde schon aus den Augen verloren hatten, wurde im Jahr 1996 in Nürnberg das Nadescher Volkstheater gegründet.
Der Erfolg zeigte, dass die siebenbürgisch-sächsische Gemeinde auch hier in der neuen Heimat bereit war die alten Traditionen fortzusetzen. Da das Nadescher Volkstheater ein Laientheater ist, war jeder, der den Wunsch hatte mitzumachen, herzlich willkommen "Dabei ist es wichtig, dass die Theaterproben eine Gelegenheit bieten, bei Essen und einem guten Wein zusammen zu sitzen und Erinnerungen aus der alten Heimat aufzufrischen und Erfahrungen aus der neuen Heimat auszutauschen."
Unterstützung und Hilfe bezüglich der Räumlichkeiten für die Proben erhielten die Theaterspieler von der Kirche. Die Vorbereitungen und Proben beginnen im Oktober und meistens erfolgt die Erstaufführung Anfang Februar. Weitere Aufführungen werden nach Ostern zu verschiedenen Anlässen, wie Pfingstfest, Kronenfest oder Sommerfest geplant.

 

 

 

Das Publikum des Nadescher Volkstheaters

 

 

Das Publikum, für das gespielt wird, besteht hauptsächlich aus Mitgliedern der Nadescher Gemeinde. Jedoch besuchen auch Mitglieder aus anderen siebenbürgisch- sächsischen Gemeinden die Vorführungen des Nadescher Volkstheaters sehr gerne. Die Organisatoren des Nadescher Volkstheaters haben es sich zum Ziel gesetzt, nicht nur die ältere Generation zu ihrem Publikum zu zählen, sondern auch die jüngere Generation anzulocken. Damit wird versucht der Jugend und den Kindern das Gefühl der Zugehörigkeit und bewährte innere Werte zu vermitteln. Da die Theaterstücke auch im kirchlichen Rahmen aufgeführt werden, können diese Werte auch anderen Leuten, die sich nicht zur Nadescher Gemeinschaft zählen, zugänglich gemacht werden. Die Tatsache, dass die Theaterstücke nicht in deutscher Sprache aufgeführt werden, spielt in dem Sinne keine große Rolle, da die siebenbürgisch-sächsische Mundart der hochdeutschen Sprache sehr ähnlich ist.

 

 

 

Die Rolle der Sprache und des Dialekts im Volkstheater für die siebenbürgisch-sächsische Gemeinde

 

 

"Das siebenbürgisch-sächsische Volk hat von jeher zwei Sprachen gehabt: die eigentliche Mundart und die Schriftsprache. Bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts war in allen Volksschichten die Mundart allein die gesprochene Sprache." Seine eigene Mundart benennt der Siebenbürger Sachse erst in neuester Zeit "saksesch". Dabei hat jedes Dorf einen eigenen Dialekt. Theaterstücke wurden meistens in der städtischen Mundart (z. B. Kronstädter, Hermannstädter oder Schäßburger Dialekt) geschrieben, und zum Einstudieren in den jeweiligen dörflichen Dialekt umgeschrieben, um es dem Publikum zugänglicher zu machen.
Die siebenbürgisch-sächsische Mundart spielt auch heute noch eine wichtige Rolle im Leben der Leute, die sie pflegen. Die ältere Generation hat sie immer gesprochen, die jüngere Generation auch, muss sich aber durch den Einfluss der fränkischen Mundart oft den Kindern zuliebe anpassen und fränkisch oder hochdeutsch sprechen. Die Sprache, die man als "Muttersprache" betrachtet, beherrscht man immer am besten, somit kann sie nicht so schnell vergessen werden. In vielen siebenbürgisch-sächsischen Familien wird auch mit den Kindern sächsisch gesprochen. Die Sprache ist ein Erbgut und daher ist es für viele wichtig, vor allem alte Wörter zu erhalten, da sie als eine Bereicherung der deutschen Sprache betrachtet werden. Man kann feststellen, dass der siebenbürgisch-sächsische Dialekt Wörter und Ausdrücke beinhaltet, die früher auch in der deutschen Sprache benutzt wurden und durch die Entwicklung der hochdeutschen Sprache im Laufe der Zeit in Vergessenheit geraten sind und in der modernen deutschen Sprache nicht mehr vorkommen.(... vgl. "ein Schwein abtun" und "an Schwein odaun")
Die Sprache in den Theaterstücken steht in enger Verbindung mit der Thematik.

 

 

 

Das Thema des siebenbürgisch-sächsischen Volkstheaters

 

 

Es werden überwiegend Lustspiele aufgeführt in denen das Alltagsleben in der Familie und der Gemeinschaft des Dorfes dargestellt wird. Typisch ist z. B. der Unterschied zwischen einer reichen und einer armen Familie, deren Kinder gern heiraten wollen und sich gegen den Willen ihrer Eltern durchsetzen müssen. Der Konflikt wird meistens durch eine List gelöst. Manchmal greifen unerwartete Ereignisse in das Alltagsleben ein und führen zu einer Reihe von komischen Situationen. Ein Beispiel ist das Lustspiel: "Der Gezkrogen", in dem plötzlich ein fremder italienischer Zauberer auftritt und die Hauptperson, die sehr geldsüchtig ist und ihre Tochter mit einem reichen Mann verheiraten will, mit seinen angeblichen Zauberkünsten soweit bringt, dass sie am Schluss damit einverstanden ist, dass ihre Tochter den Jungen heiratet, den sie liebt. Auch religiöse und gesellschaftliche Einrichtungen, vertreten von typischen Personen wie Presbyter, Kirchenväter, Nachbarväter, Knechte und Mägde kommen in den meisten Stücken vor. Eine wichtige Stelle nehmen im Theater auch die lustigen Szenen mit den Nachbarinnen ein, die alle Neuigkeiten ausplaudern, obwohl sie schwören schweigen zu können wie ein Grab. Begleitet werden diese Themen von Volksdichtung und Volksliedern, die mit der Thematik in engem Zusammenhang stehen.

 

 

 

Die Finanzierung des Nadescher Volkstheaters

 

 

Die finanziellen Mittel der Nadescher Theatergruppe besteht hauptsächlich aus den Einkünften ihrer Aufführungen. Finanzielle Unterstützung erhält sie auch von der Siebenbürger Landsmannschaft. Reisekosten, Unterkunft und Verpflegung bei Auftritten in anderen Ortschaften werden aus der eigenen Kasse bezahlt. Gelegentlich treten sie auch im Rahmen anderer kultureller Veranstaltungen auf und erhalten dafür eine festgelegte Gage. Die Theaterspieler treten in der Volkstracht auf, die sich jeder Einzelne anfertigen läßt. Die Kulissen werden gemeinsam gestaltet und Möbelstücke aus verschiedenen Haushalten zur Verfügung gestellt.

 

 

 

Bedeutung des siebenbürgisch-sächsischen Volkstheaters für die siebenbürgisch- sächsische Gemeinde und die Zukunftsaussichten

 

 

Die Aufführungen des Nadescher Volkstheaters und die der anderen Heimatortsgemeinden vereinen die siebenbürgisch-sächsischen Landsleute und erhalten ihnen das Gefühl der Zusammengehörigkeit, gerade in diesem Zeitalter, in dem sich
viele Menschen einsam fühlen. Vor allem ist es für ältere Leute nicht einfach, die Werte der hier vorgefundenen Gesellschaft zu akzeptieren und sich an die neue Umgebung anzupassen. Das Zusammensein mit ihren Landsleuten in der heutigen Gesellschaft ermöglicht ihnen, die Vergangenheit und Zukunft sinnvoll miteinander zu verbinden. Man kann es als Versuch zur Integration in Deutschland betrachten. Für die jüngere Generation ist es eine Möglichkeit, die Errungenschaften ihrer Vorfahren kennenzulernen und Vergleiche herzustellen zwischen traditionellen und modernen Werten, die ihre Zukunft prägen.
Aus dem Gespräch mit Herrn Henning geht hervor, dass auch Jugendliche den Wert der siebenbürgisch-sächsischen Kultur erkennen und bereit sind sich zu engagieren, um diese Werte zu erhalten. Gerade das Theater ist die Form, die auf lebendige Art und Weise auf diese Werte aufmerksam machen kann. Zur Zeit wird das Theaterstück "Am zwien Kroizer" einstudiert und soll im Februar aufgeführt werden. Nicht nur die Nadescher Theatergruppe ist bestrebt, diese Tradition weiterzuführen, sondern auch andere Theatergruppen im Nürnberger und Stuttgarter Raum haben diese Tradition übernommen. In Zukunft wird es sogar zu einem kulturellen Austausch zwischen den Theatergruppen kommen, indem sie Theaterstücke austauschen und sie dann gegenseitig aufführen.


© 2000 by Claudia Binder


 

 

Siebenbürgische Theatertruhe

 

Seit 1996 gibt es in Nikodemus - Röthenbach die Siebenbürgische Theatertruhe. Schon ihr erstes Theaterstück "Der Herr Lihrer kit" (Der Herr Lehrer kommt) war ein voller Erfolg. Die vier Aufführungen im Saal der Nikodemuskirche waren bis auf den letzten Platz ausverkauft.
Das zweite Theaterstück "Am zwin Krezer" (Um zwei Kreuzer) spielte die Gruppe bereits schon dreimal bei voll ausverkauftem Haus im gleichen Saal.
Einen großen Erfolg verzeichnete die Gruppe am 6.02.00 in der Paul-Metz-Halle vor 520 Zuschauern. Ein Glückwunsch sei nicht auf die Arbeit dieser Gruppe ausgesprochen, sondern auf die Resonanz, die diese Arbeit gefunden hat.
So Mancher mag sich fragen, warum die Siebenbürger sich nicht endlich integrieren und immer unter sich sein wollen. Ich glaube, dass sie sich wirtschaftlich gut integriert haben. Die meisten können die Sprache, haben einen Beruf gelernt und sind arbeitswillig.
Die soziale Integration jedoch vollzieht sich nicht so schnell und ist weit komplexer, weil sie erheblich mehr Anforderungen an jeden einzelnen stellt. Gerade ältere Menschen tun sich da sehr schwer. Für sie ist so ein Theaterstück Erinnerung an ihre Heimat. Sie treffen Menschen mit denen sie was verbindet, nämlich der Verlust der gemeinsamen Heimat.
Wir als Theatergruppe möchten mit dieser Arbeit versuchen, dass die soziale Integration der älteren Generation leichter fällt, das sie und wir das Gefühl haben, in der Gemeinde angenommen zu sein, wir möchten aber auch unsere jahrhundertealte Geschichte, wertvolle Sitten und Bräuche und eine siebenbürgisch-sächsische Kultur einbringen und versuchen uns in dieser Gemeinde anzuschließen.
Ich lasse mich bei den Fragen über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gerne von einem Bild leiten. Es kann vor falschen Alternativen bewahren und vielleicht zum besseren Verständnis der Siebenbürger dienen..
Ein Baum und sein Stamm, fest verwurzelt in der Erde, das ist die Vergangenheit, die feststeht. Das sind die Wurzeln, die jeder braucht und hat. Ein Baum ist aber nicht nur Stamm. Je weiter er von der Erde weg ist, desto beweglicher und lebendiger wird er. Die Äste und Zweige sind die Gegenwart, in der wir lebendig und beweglich sind und sein müssen. Dann kann der Baum wachsen, bringt Blätter hervor. Jahr um Jahr wächst er in die Zukunft hinein.

 

aus Kirchenblatt Nikodemuskirche